Oceania 2009
Als Auftakt des internationalen OL-Kalenders 2009 fanden die diesjährigen Ozeanien-Meisterschaften in der ersten Januarwoche in Neuseeland statt. Insgesamt acht Wettkämpfe, drei davon als World Ranking Event (WRE) klassifiziert, warteten in den schönsten Ecken der Südinsel auf internationale Teilnehmer. Da Neuseeland von Tasmanien aus gesehen quasi gleich um die Ecke liegt, konnte ich natürlich nicht widerstehen.
Los ging es am Samstag mit einem so genannten Warm-up Event am westlichen Rand des Abel Tasman-Nationalparks. Vor dem Start war allerdings noch ein veritabler Feldweg-Stau zu überstehen. Während etwa 500 Orientierungsläufer in ihren Pkws dem Wettkampfzentrum zustrebten, waren in der Gegenrichtung eine ähnliche Anzahl Teilnehmer eines Reggae-Festivals auf dem Heimweg, wobei deren Fahrzeuge deutlich bunter, langsamer und vor allem größer als unsere waren. Glücklicherweise hatten es die meisten von ihnen nicht soo eilig, sonst hätte es vermutlich auf dem schmalen Pfad für alle noch deutlich länger gedauert. Das Wettkampfgelände (Canaan Downs) bestand aus relativ offenem Farmland mit zahlreichen Steinen und tief eingeschnittenen Tälern sowie ausgeprägten Karstformationen in den Hochwaldbereichen am westlichen Rand der Karte. Die Kunst bei diesem Wettkampf bestand darin, das Tempo auf den offenen Flächen möglichst hoch zu halten und dann im Wald stark herunterzubremsen, um die verschiedenen kleinen Reliefstrukturen sauber mitlesen und zuordnen zu können. Leider war ich in theoretischen Belangen schon immer etwas stärker als dann in der praktischen Umsetzung, so dass mir dies beim ersten Karst-Posten prompt misslungen ist.
Die zweite Aufwärmveranstaltung wurde am nächsten Tag als Sprint im Stadtgebiet von Blenheim (Brayshaw) ausgetragen. Die heutige Hauptaufgabe bestand wohl darin, eine möglichst effiziente Technik für das Überqueren eines seichten Flusses mit breiten, von Brombeerranken und ähnlichen unangenehmen Gewächsen überwucherten Schotterablagerungen zu entwickeln, der auf meiner Bahn mindestens achtmal gekreuzt werden durfte. Weitere Highlights dieses Laufes waren das Überqueren einer Kartbahn (ohne Karts), einer Pferdekoppel (mit Pferden) und eines Freilichtmuseums für historische Ackergeräte. Diese waren am Rande des Geländes zu einem derart dichten metallischen Schutzwall zusammengeschoben, dass ich einen ersten Überquerungsversuch entnervt abbrechen und 20m weiter neu ansetzen musste. Die Laufzeiten waren dementsprechend nicht gerade sprintverdächtig, aber meine neuseeländischen Mitstreiter versicherten mir glaubhaft, dass dieser Lauf in keinerlei Hinsicht repräsentativ für den morgigen WRE-Sprint sein würde.
Am Montag wurde es dann erstmals richtig ernst, die Ozeanien-Meisterschaften im Sprint wurden auf dem Gelände der Lincoln University am südlichen Stadtrand von Christchurch ausgetragen. Der wichtigsten Landwirtschaftsuniversität in Neuseeland angemessen, fanden sich auf dem Campusgelände zahlreiche Gärten, Plantagen und Gewächshauskomplexe neben den auch sonst üblichen Unigebäuden und Sportanlagen. Eine abwechslungsreiche Bahnanlage, kurze Startabstände und etliche Zuschauer machten das Rennen richtig schön spannend, und mit insgesamt 20sec Zeitverlust aus zwei kleinen Unsicherheiten gelang mir ein ausgesprochen guter Lauf. Platz 10 mit lediglich 59sec Rückstand zur Spitze ließ mich im Geiste schon einen Aufruf an Radio SFK verfassen, in Zukunft bitteschön auch die Weltrangliste in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen...
Die am Dienstag folgende Staffel habe ich ausgelassen, auch wenn mir dadurch ein sehr anspruchsvoller Lauf in einem diffizilen Dünengelände nördlich von Christchurch entgangen ist. Jedoch stand am Mittwoch im Craigieburn-Nationalpark in den östlichen Ausläufern der Neuseeländischen Alpen eine Langdistanz-Etappe auf dem Programm, die durchaus herausfordernd zu werden versprach: Für insgesamt 12km mit knapp 600hm und 32 Posten war eine Siegerzeit von über 100min veranschlagt worden. Das Gelände war teilweise hochalpin, mit stark variierender Vegetation in den tieferen Lagen. Insbesondere diese Vegetation erforderte aufmerksamstes Kartenstudium, da man in dunkelgrünen Bereichen, selbst wenn sie nur 10m breit waren, beim besten Willen nicht vorankam. Gelegentlich wurden im Wald Deutsche gesichtet, die entnervt in einem Dornengestrüpp festhingen, während kartenkundige Neuseeländer 20m weiter sich eine kleine gelbe Schneise im Urwald zu nutze machten. Ich lernte diese Lektion nach einigen Posten, was aber nicht mehr verhindern konnte, dass mich am Ende fast drei Stunden Wettkampfzeit ziemlich an den Rand meiner Kraftreserven brachten.
Am Ruhetag ging’s weiter gen Süden nach Duntroo, wo Freitag dann die letzte offizielle Meisterschaftsetappe als Mitteldistanz in einem offenen Farmgelände ausgetragen wurde. Viele kleine Höhenformationen, einige Felsen und etliche Schafe boten zahlreiche Postenstandorte, die offensichtlich auch fast alle mit Posten besetzt waren. Man munkelte von über 150 Posten, die in diesem kleinen Gelände verteilt worden sind. Hohe Laufgeschwindigkeiten waren möglich, aber nicht immer anzuraten. Um es kurz zu machen: Ich hab's gedisst. Posten 131 statt 31, knapp daneben ist halt trotzdem falsch.
Abschluss und für viele sogar Höhepunkt dieses wunderbaren OL-Carnivals waren am Wochenende die beiden Läufe in Naseby. Zur Zeit des neuseeländischen Goldrausches vor etwa 140 Jahren wurde hier die gesamte Landschaft mit Spaten, Schippe und Wasserspritze nach Edelmetall durchwühlt, so dass zahlreiche künstliche Täler, Steilabfälle und Abraumhalden entstanden sind. Nach Abzug der Goldsucher forstete man die gesamte Gegend wieder auf, um die durch den Bergbau entstandenen Narben halbwegs zu überdecken. Entstanden ist daraus ein Landstrich, der zu den technisch anspruchsvollsten OL-Gebieten in Neuseeland gezählt wird. Entsprechend gewarnt startete ich sehr verhalten, um die vielen kleinen Reliefelemente sauber mitlesen zu können. Schwierig ist vor allem der antropogene Ursprung dieser Strukturen: Während man sonst davon ausgehen kann, dass ein Tal in Fallrichtung mit guter Wahrscheinlichkeit in ein Haupttal führt, bringt es einen in Naseby mit hoher Sicherheit an den Fuß der nächsten Abraumhalde. Manchmal geht das Tal dahinter weiter, meistens aber nicht. Dazu kommen steile Böschungen, schnell wechselnde Vegetation und einige wenige sich im Hochwald verlierende Pfade. Typischweise werden in dieser Region selbst für Eliteherren etwa 12min pro km als Siegerzeiten eingeplant. Ich schaffte es an beiden Tagen nicht, völlig fehlerfrei zu bleiben und war nach einer langen Wettkampfwoche auch konditionell nicht mehr absolut fit, aber viele der Posten an diesen beiden Tagen waren echte Herausforderungen und es war ein Genuss sie schnell und sicher zu finden.
Fazit: Die weite Reise hat sich in jedem Fall gelohnt, auch wenn die erzielten WRE-Punkte ein wenig unter den Erwartungen geblieben sind. Aber das wunderbare Sommerwetter und die gigantischen Naturpanoramen der Südinsel wären den Besuch auch ganz ohne OL wert gewesen.
Ergebnisse - Canaan Downs - Brayshaw - Lincoln University - Craigieburn - Duntroo - Naseby