10Mila 2009 in Pink statt Grünschwarz
Da ich seit eineinhalb Wochen in Schweden arbeite, hatte ich am Wochenende die Chance bei der TioMila (jetzt 10Mila) zu laufen. TU war nicht dabei, aber ich bin für Lunds OK gestartet, in leuchtendem Blau und Pink!
TioMila … Schwedens größte OL-Staffel, oder besser die weltgrößte OL-Staffel. Gibt es seit 1945, 23 Jahre später durften auch Damen in einer eigenen Klasse antreten. Bei den Herren sind es 10 Starter pro Team bei den Damen 5. Die Damen laufen am Sonnabend Nachmittag, alle samt Tagbahnen, die Herren starten 21:30 und erreichen Sonntag früh gegen 6 Uhr das Ziel. Berühmt berüchtigt ist die "Lange-Nacht-Bahn" mit 18km, ungegabelt, für den 4. Läufer. Es gibt einen Riesenbildschirm, Liveübertragung ins schwedische Fernsehen, Liveberichterstattung die ganze Nacht, Hamburger, Kaffee und warme Freiluftduschen. Angeblich gab's auch 'ne Sauna …
Das Abenteuer begann vergangenen Dienstag, Querlaufintervalle mit den schnellen Jungs und Mädels, danach Besprechung. Der Cheforganisator (á la Achim) hat gleich einen Lageplan zur Lund-eigenen Zeltburg präsentiert. Zwei, drei Zelte für die Schlafplätze, in der Mitte das offene Zelt mit immer-warmen Tee und Kaffee sowie heißer Blaubeersuppe. Dazu Bananen und belegte Brote en masse. Anschließend wurde die Teamaufstellung vorgelesen. Es sollten je drei Herren- und drei Damenteams starten, dazu ein, zwei Teams in der Kinderklasse. Und - nur so aus Spaß - gab es ein viertes Herrenteam, nur aus Damen bestehend. Ich durfte an 4. Position im ersten Damenteam und als Schlussläuferin im Herren-Damenteam starten. Diese Strecke misst 16km, ich hoffte also auf den Notstart, dann wären es "nur" 10km.
Am Sonnabend Vormittag ging es los, nach nur 1 Autostunde erreichten wir auch schon 1) einen riesigen, staubigen Parkplatz mitten im Wald und 2) nach einigen hundert Metern zu Fuß eine riesige Zeltstadt mitten im Wald.
Es war sonnig und mild warm, überall tauchten bekannte Gesichter auf (es ist beeindruckend wie viele deutsche Läufer "fremd laufen" gehen …) und gegen 16Uhr war laut Plan mein Start. Jaja, in unserem Zelt hing eine lange Plantafel auf der alle Laufzeiten eingetragen wurden.
Am Wechsel angekommen habe ich Karin Schmalfeld (Deutschlands schnellste Läuferin) getroffen, die hier für Leksands OK läuft. Wir haben gemeinsam gewartet, nun ja, zumindest bis sie einige Minuten vor mir endlich los durfte. Ich konnte nur hin-und her hoppeln immer gefasst auf das nächste pinkfarbene Trikot.
Endlich im Wald, ging es auf ausgetretenen Pfaden, leicht bergan und bergab, durch wildes Grün, entlang von alten Steinwällen und durch Sümpfe. Kurz vor Posten 3 tauchte eine Gruppe von 7-8 Läuferinnen urplötzlich von rechts auf. Die hatten alle gemeinsam falsch gesucht, denn sie liefen weiter in meine Richtung und zum Posten hin. Danach verlor sich das ganze wieder, ich war auf einem Weg unterwegs um die kleinen Sümpfe zu umgehen und eine Weile den Kopf auszuruhen. Es folgten kurze Postenabstände - und plötzlich Kabel im Wald. Und eine Kamera, mitten auf einem Kahlschlag, also mit Rundblick und überall kreuzten Läufer. Danach wurde mir berichtet, dass ich auch zu sehen war. Den Sprecher konnte man fast während des gesamten Laufes hören, eine etwas gewöhnungsbedürftige Atmosphäre. Es folgte der Sichtposten, und ja auch Anfeuerungsrufe. Eine weitere Schleife um die riesige Zeltwiese und ins Ziel.
Der restliche Abend diente zum zwischen den Zelten umher spazieren, Sportsachen kaufen, Bananen und belegte Brote futtern, Blaubeersuppe trinken, Hacky sack spielen weil es plötzlich kalt wurde und den Sonnenuntergang genießen.
Als es frostig-kalt wurde, war es Zeit um in den Schlafsack zu verschwinden. Irgendwann im Halbschlaf die Worte "… Leif Bader för Leksands OK …" und ich war wieder hellwach. Blick auf die Uhr, 5 vor halb 10. Schnell raus aus dem Schlafsack und über die Wiese gerannt um den Start der Herren zu sehen. Beeindruckende Atmosphäre, es war fast schwarze Nacht, hunderte standen und blickten gespannt nach rechts, der Sprecher begann den Countdown, war bei "15 seconds left" als die ersten die Karte griffen und lossprinteten. Ein etwas übereilter Start also, die Lichterwand brandete heran und hunderte grelle Lampen mit doppelt so vielen Füßen flogen vorbei. Als letzter tauchte der Hase auf.
Bin anschließend gleich zurück in den Schlafsack und erst frierend gegen Mitternacht wieder aufgewacht. Was sollte gegen die Kälte helfen, wenn der Schlafsack nicht genügte? Fettreiche Kost. Also los zum nächsten Stand und eine Zimtschnecke und Schokolade gekauft. Währenddessen lief weiterhin das Rennen, die Sprecher berichteten fleißig, auf der Wiese vor der Grossbildleinwand lagen die Leute im Schlafsack und Campingstuhl und verfolgten gebannt das Geschehen. Meine Strategie ging auf und ich konnte bis früh um 6 durchschlafen. Kurzer Sonnenaufgang, Aufregung am Zieleinlauf, die ersten letzten Läufer sollten kommen. Daniel Hubmann und Mats Haldin waren fast gleichzeitig losgelaufen, aber von unterwegs gab es nur Berichte, dass Daniel Hubmann Richtung Ziel kam. Und so war es dann auch. Der norwegische Verein Kristiansands OK stand mit dutzenden kleinen norwegischen Fahnen bereit, Daniel Hubmann kam den Hang vom Endposten herab, hatte Zeit alle Teamkameraden zu umarmen und dann ging es gemeinsam ins Ziel. Es folgten weitere Weltklasse-Läufer und dann erst, als 5. Mats Haldin. So spannend kann es sein, denn immer noch lagen und saßen überall dick eingepackte Zuschauer.
Für mich hieß es frühstücken, warm zittern, warm laufen und kurz vor 9Uhr mit all den anderen ungenutzten Läufern zum Wechsel und dem Notstart. Aus meinem Team waren außer mir noch drei Damen da, den Herren ging es kaum anders.
Es war ein reinstes Chaos an die Karten zu kommen, dann die Entscheidung, ist man schneller rechts oder links um die Kartenbretter rum und schon ging’s los. Ich war irgendwo mittendrin, es ging in die gleiche Ecke wie am Vortag, der erste Posten gegabelt. Die Postenbänke hatten je zwei Stationen, das Lochen ging schnell. Weiter durchs Dickicht, mehr oder weniger im "Gänselauf". Dann der 2.Posten. Nicht zu sehen, nur ein wildgestikulierendes, schreiendes, schubsendes, wogendes Knäuel aus Läufern. Irgendwie kam ich durch bis zur Postenbank, aber da stand ich dann, von rechts immer mehr Druck, weil all die Läufer gleichzeitig an die Stationen wollten. Ich hatte lange keine Chance zu lochen, weil ich mich irgendwie gegen die anderen stemmen musste um nicht halb über die Postenbank zu fallen. (netter Abdruck auf dem Oberschenkel, da wäre ich bei etwas mehr Druck abgeknickt) Irgendwann hatte ich Panik und absolut kein Verständnis mehr für soviel sinnloses Drängeln. Für keinen von denen war der Lauf noch wichtig, alle waren im Notstart gestartet und trotzdem fühlte es sich an, als wenn manche bereit waren über Schlammleichen zu gehen. Es vergingen gefühlt einige Minuten, dann kam ich los und irgendwie verwirrt Richtung nächster Posten. Dort waren nur noch ein Dutzend Läufer unterwegs. Langsam kam ich in den Rhythmus und es fing an Spaß zu machen. Ein längerer Schlag, dann viele kurze und ein schnelles Laufen mit zwei, drei anderen Läufern. Danach ein 2km Schlag und ich wurde langsam müde. Die letzten 5 Posten fanden eher mich als ich sie, und nach anderthalb Stunden war ich von der 10km Strecke zurück. Kaputt, frierend und ausgehungert.
Leider hatte unsere 4. Läuferin Disq gemacht, zum Glück wusste ich das vorher nicht.
Alles in allem eine interessante Erfahrung. Mir ist nur etwas unwohl noch mal mit so vielen kampfeslustigen und verbissenen Männern in einem Notstart zu laufen.
Bilder & Karten - Ergebnisse