O-Ringen in Thüringen – nur ohne O...rientierung
Der Rennsteig – unendliche Weiten. Dies sind die persönlichen Abenteuer von über 15.000 zweilaufbeinigen, vierwanderfüßigen (Nordisch Geher) und handtretenden dreirädrigen (Handradler) Super-, Ganz-, Halb-, Dreiviertel-, Dreiachtel- und 3-x-tel-Marathonern und -Marathonerinnen.
Da der Rennsteig zu nichts Anderem als zum Rennen angelegt wurde, entstand 1973 durch einige Laufverrückte (darunter OLer) der GutsMuths-Rennsteiglauf. Laufen kann zwar gut tun und (Über-)Mut braucht es, um 43,5 oder 72,7, früher mal bis 100 km auf dem Höhenweg des Mittelgebirgswaldes des Landes der Mutigen anzugehen, aber der 250-jährige Herr Gutsmuths setzte sich schon vor dem Flimmerkasten-Fast-Food-Zeitalter für mehr „Körperertüchtigung“ an frischer Luft ein – darunter Waldlauf und Skilanglauf –, wonach so an den Pädagogen erinnert wird.
Aber Europas größtem Crosslauf fehlen weder Bratwurst-, Bier- und Süßkramstände noch Dusch-, Bier- und Partyzelte, weder Campingplatz noch Bierfahnen und auch kein selbstberauschendes Stumpfgedröhne. Naja, die Leute bewegen sich Schritt für Schritt „fit“ – die eine Hälfte, im Durchschnitt für die standhafte andere Masse mit.
Und damit fangen die Ultramarathoner im Zentral- und Zielort Schmiedefeld mit der sich abgewandelten Traditionsstrecke früh an: um 2, um 3 Uhr nachts testen sie den Überlebensinstinkt der anderen im Quartier, um nach Eisenach gefahren zu werden, um um 6 los- bzw. zurückzuhoppeln. – So ein Glück, dass OLer nie in tiefster Tiefschlafphase laufen, verschweige denn stundenlang, weil mehrmals täglich.
Wer die Massentoiletten beim O-Ringen nicht mag, der bedenke, dass geschätzte 100 hellblaue Plastetoilettenhäuschen für 6000 Halbmarathon-Massenstarter in Oberhof bei Weitem nicht reichen...
Die 21,1-km-Läufer, die trotz hinterer Startblockzuweisung die „Kurzstrecke für Anfänger und Senioren“ nicht irgendwo im am Start vom Hubschrauber überflogenen Menschenstrom mitzuckeln wollten, dafür zudem zumindest die Startlinie mit Schuhchip wenige Minuten hinter den Ersten – 7 Uhr 30 – queren mochten, reihten sich entgegen der Vorschriften weiter vorne ein. Wer jedoch bereits einige Hunderte vor sich hatte und wem diese zu langsam waren, musste die ersten Straßenkilometer an freien Randstücken vorlaufsprinten bzw. sich slalomartig Läufer um Läufer stockend vorbeihechten und das dichte Schnauffeld verlassen, bevor es im Wald auf den Rennsteig stieß, damit es gemütlicher und stetig ermutigender wurde, an die dort gestreckt verteilten, unzähligen Renner ran und ihnen weg zu rennen. (Einer konnte das auf den letzten Kilometern wohl so schwer ertragen, dass er sich ein zweites Mal von mir überholen lassen musste.)
Es war gefühlt kühl, zum länger Laufen ideal und anfangs etwas neblig, später umsichtig schön bewaldet, ging für Straßenläufer durch „Sümpfe“, für OLer kurzstreckenweise auf schlammigen Waldwegen mit Pfützen entlang an Publikum und hohen Bäumen und gefällten, die als Becher und Werbezettel gereicht dann als Müll rumlagen, stets der weggeweisten Strecke bzw. den (momentanen) Vorläufern nach – Kopf frei, Beine Blei –, weit oberhalb der unterirdischen Autobahn auf 973 Meter Höhe – den Großen Beerberg fast ganz hoch – und nach Schmiedefeld viel runter.
Als die Ersten ins Ziel liefen, sangen die mehr als 3000 Marathoner in der Startgasse in Neuhaus ihre Arme winkend den „Schneewalzer“ (fragt mich nicht) statt „Diesen Weg auf den Höhn bin ich oft gegangen, Vöglein sangen Lieder...“, bevor sie sich ab 9 Uhr aus Osten, der entgegengesetzten Richtung ihre Beine vorwärts hebend näherten.
Ein Erfurter, der Schnellste derer (2:42:33), lief dann kurz vor Sonnabend, den 16.5., Mittag und kurz hinter dem Ersten der (sehr) langen Strecke (5:29:55) ein. Von TU-Zuschauern erfuhr ich zudem wie scheinbar locker der Kenianer Paul Thon in sekundengenauen 70 Minuten den Halbmarathon gewann.
Den absolvierten von unserem OL-Verein: Wieland Kundisch in 1:23:05, Gerhard-Michael Buhler in 1:55:25, dicht gefolgt von Peter Schmutterer in 1:56:15 und ferner von Stefan Leupold in 2:39:36. Den Marathon wagten und durchlebten neben anderen (Dresdner) OLern: Ulrich Nitzsche in 3:41:25 sowie Heike Göbel in 5:02:43.
Die Letzten krochen am Abend ein, während die ersten Humpelnden auf Biertischbänken „tanzten“. Mit Teilnahme-Medaille um den Hals kurbeln die Menschen die Wirtschaft an. Was will man mehr?
Es macht viel Arbeit und braucht viele Helfer, dass manche den Lauf jährlich brauchen und machen – vielleicht gibt’s ein Abo und ist jeder 50. gratis. Einige füllten „sofort“ nach der Erschöpfung die Sofortmeldung für den 38. Rennsteiglauf aus, andere waren mal mit dabei.
Ich fühle mich im (OL-)Wald wohler und laufe einen Marathon lieber mal auf 24 Stunden verteilt.
Ergebnisse - Johann Christoph Friedrich GutsMuths