24.05.2012

EM in Dalarna, Schweden - dem Land der Elche, Pferdchen und Ziegen. Hm? Hm!

von Sieglinde Kundisch

Die OL-EM 2012 fand in den Kommunen Mora (Vasalauf Ziel!), Orsa und Falun statt, also direkt vor der Haustür von Familie Bader-Kretzschmar. Das Team bestand aus 10 Leuten, 7 Jungs, 2 Mädels und einem Trainer, nach aufmerksamer Notiz von Außen- und Innenstehenden war es eher ein Thüringer Team als ein deutsches, da ganze 70% gebürtige Thüringer waren!
Mit dabei waren (v.l.n.r.) Matthias Kretzschmar, Leif Bader, Christiane Tröße, Christoph Brandt, Sieglinde Kundisch (USV TU Dresden), Paul Lützkendorf, Wieland Kundisch (USV TU Dresden), Bjarne Friedrichs, Sören Lösch und Trainer Jan Birnstock.

Trotz langer Anreise am Sonnabend konnten wir am ersten Abend ein kleines Training durchführen und uns mit dem Wald – schwedisch gesehen – vor der Hüttentür in Gesunda vertraut machen. Es war schwieriges Gelände, läuferisch wie o-technisch, aber die Sonne hing noch spät abends goldrot leuchtend in den Kiefern und versprach eine tolle Woche.
Die begann am Sonntag mit dem offiziellen Model Event, einem Training bei dem alles getestet werden konnte, die komischen EMIT-Dinger, die Westen zum Tragen der GPS-Einheit, die Sportgetränke und die „Schmierseife“ im Wald. Das war echt heftig. Schon mal auf Schmierseife gelaufen? Mach mal ne Kurve! Oder lieber nicht, auch wenn man hier, weil es ja statt der Seife ein Teppich aus grünweißem Moos und Flechten war, weich landete. Steinig war es auch – unter der Moos-Flechtenschicht. Es versprach anspruchsvoll zu werden. Das Einzige, was fehlte, war die obligatorische Blaubeersuppe … und die Qualiläufe sollten in Hökberg, der vorletzten Station beim Vasalauf stattfinden … wenn das nicht als Minus für die Veranstaltung gewertet werden sollte, schließlich lagen die Temperaturen tief genug. :-)

Am Montag und Dienstag folgten die Mittel- und die Langdistanzqualifikationen. Gelaufen auf der gleichen Karte, dem gleichen (Hök)Berg, aber in doch recht unterschiedlichem Gelände. Die Mittelstrecke erwies sich als sehr, sehr schnell, läuferisch und auch für Fehler. Schwups und da war es passiert, jedenfalls ging es mir so. Blieb der Fehler klein, konnte man noch hoffen, aber man war auch schnell raus aus den Top 17. Die Langdistanz kreuzte den Berg, ging über Kahlschläge, durchs Grün und viele Steinfelder. Das Wetter zeigte sich wenig gnädig, es gab alles von wolkig bis bedeckt, Sonne und Regen bei 7 bis 11°C. Die Birken waren noch kaum ergrünt und wir zurück im Irgendwo zwischen Winter und Frühling.
Gewöhnungsbedürftig ist die Quarantäne vor dem Start. Alle müssen zu einer bestimmten Zeit am Vorstart sein. Da die Herren und Damen nacheinander starten, zieht sich alles so dahin, dass man bis zu 3 - 4h damit zubringen kann, in einem Zelt zu sitzen und dumm zu quatschen, zu lesen oder Musik zu hören. Handys etc. sind ausgeschlossen, der Fairness wegen, niemand darf Richtung Zielarena telefonieren. Wahrscheinlich beweist sich hier schon die mentale Stärke der besten Läufer. Wie schlage ich Zeit tot, ohne dass es sich anfühlt, als wenn ich nur Zeit totschlage? Vorm Vorstart ist also viel Zeit zur Erwärmung, zwischen Vorstart und Start auch, da man einige 100m in den Wald joggt, bevor es wirklich los geht und das auch gaaanz heimlich und versteckt hinter noch einem Hügelchen und noch einer Dickichtecke.

Am zweiten Qualitag hatten wir Glück, bzw. Christoph Brandt (SSV Planeta Radebeul), der das A-Finale erreichte. Andere Läufer, wie Leif Bader (Post SV Dresden) schnellten am A-Finale mit nur wenigen Sekunden vorbei. Wieland hielt sich wacker und lief gut, bis auf einen Posten im Grünen. Einmal vorbeigeschossen und mit Suchen begonnen, musste er "raus" und neu anlaufen, was in diesem Gelände und ohne Auffanglinien einfach Zeit kostete.

Am Mittwoch ging es nach Falun zur Sprintqualifikation. Nur vier Starter für das deutsche Team, auch insgesamt weniger Läufer, sprich mehr Chancen ins A-Finale zu kommen. Aber der Druck kann auch zu groß sein und es passiert das, was man sich niemals wünscht. Der ganze Lauf geht daneben. Am Ende disq. zu sein, spielte keine Rolle mehr, da ich bereits 30sec. nach dem Start wusste, dass ich raus bin, als ich den ersten Posten nicht fand, weil dem Gefühl nach "Wald" auf der Karte eben heißt, dass man ungefähr doppelt so viele Schritte macht. Die Karte war aber 1:4.000 und ich somit schon viel weiter als am ersten Posten. Es wurde danach nicht besser, ich kam nicht rein in den Lauf, auf die Karte und es war nur noch eine Zeitfrage ins Ziel zu laufen. Was fehlt sind Läufe mit vergleichbarem Druck, aber wann kann man die laufen, wenn nicht direkt bei einer EM oder WM?
Wieland lief recht gut, aber läuferisch nur "hinterher", wie sich bereits unterwegs zeigte.

Am Donnerstag wurde die EM offiziell eröffnet und das Mittelfinale fand statt. Wieder ein Arenawechsel in das Dorf Skattungbyn. Plötzlich waren überall Leute, tausende, die aus und in den Wald strömten, durch die Zeltstadt wimmelten und freudig anfeuerten. Die Atmosphäre war mitreißend, der Großbildschirm zog alle Blicke auf sich, sofern nicht gerade die Schnellsten ins Ziel liefen. "Liefen" ist gut gesagt, der Zieleinlauf und Sichtposten vorher mussten von unten kommend über weite Wiesen angelaufen werden. Man konnte genau sehen, wer noch die Kraft hatte und wer nicht. Am interessantesten war es wohl all die Topathleten direkt im Wald verfolgen zu können. Bei beiden A-Finals trugen die Damen und Herren GPS mit sich und ihre Routen – und auch Fehler – ließen sich live verfolgen. Kameras im Wald machten es noch interessanter und fernsehfreundlich. Das schwedische Fernsehen svt übertrug mehrere Stunden ins ganze Land.
Die Mittelstrecke begann in schnellem, offenen Wald und mit diesem hohen Tempo ins Grüne gelaufen, folgten wieder einige Fehler, aber dank der Geschwindigkeit lief es platzierungsmäßig bei mir auf einen 4. Platz heraus. Hier zeigten sich die Konkurrenzunterschiede zwischen Herren und Damen deutlich. Es waren kaum noch Damen am Start des B-Finales, während bei den Herren fast 50 Starter antraten.
Der Wald war sehr interessant durch die unterschiedlichen Geländetypen. Es wechselte zwischen offenem Wald mit vielen kleinen und sehr großen (karstähnlichen) Senken, grünen Passagen mit kleinen, schwierigen Höhen und offenen Streifen. Sümpfe und Seen gab es, aber mit Schwedenmaßstab gemessen, sehr wenige. Teils war es sehr steinig und somit lauftechnisch schwieriger voranzukommen. Dies entschied auch einige Routenwahlen ganz schnell.
Seit Beginn der Finalläufe hatten wir nun auch unseren Trainer, Jan Birnstock im Team. Die Betreuung teilte sich jedoch alle Tage so auf, dass jene, die nicht liefen, die Starter betreuten, da man sowohl am Start als auch im Ziel gern jemanden hat, der letzte Worte, die Trainingsjacke oder erste Eindrücke entgegennimmt. All dies gelang sehr gut, auch die Aufteilung in jene, die die Meetings besuchten, einkauften oder das Abendessen kochten. Die Stimmung im Team blieb auch nach weniger guten Läufen stabil und war ein wichtiger Faktor dafür, dass die Woche insgesamt eine sehr gute Erinnerung sein wird.

Am Freitag folgte das Langstreckenfinale, Christoph kämpfte sich durch, merkte aber die Müdigkeit der vorhergehenden Läufe in den Beinen. Es wurde nun noch steiniger und schwerer belaufbar als am Vortag, dafür gab es mehr Sonnenschein. Wieland kam im B-Finale auf den 23. von 35 Startern.

Für das Sprintfinale wechselten wir zurück nach Falun und zogen um zu Leif, Anne und Gustav, der uns fröhlich begrüßte und unterhielt. Den B-Finalisten blieb die gute Stimmung im Skistadion von Falun erspart, äh, untersagt, da sie stattdessen fast 4h lang auf dem Skisprungschanzenberggipfel neben der Vereinshütte von Leif und Annes schwedischem Verein hockten und versuchten die Zeit „totzuschlagen“. Im Ziel angekommen war alles längst vorbei, die Zuschauer auf dem Weg nach Hause, die Medaillisten geehrt. Etwas frustrierend, aber man war ja selbst schuld. Der Lauf selbst begann auf den Wiesen und im Wald rund um die Skiloipen und wechselte dann schnell in den Sportkomplex rund um "Lugnet" mit Schwimmhalle, Bandystadion, Skizieleinlauf, Sportmuseum, Campingplatz und Abenteuergolfplatz. Da staunt man Bauklötze.
Im Sprungschanzenauslauf war der Zieleinlauf und Kartenwechsel, so platziert,dass man ja keine Höhenmeter auslassen konnte. Ein Wunder, dass sie uns nicht die Sprungschanze hinaufschickten. Aber das holten wir selbst am Sonntag Nachmittag nach... :-)

Gleiche Arena am Sonntag zur Staffel, für die wir zwei Herrenteams am Start hatten. Das 1. hielt sich wacker. Für das 2. konnte Schlussläufer Wieland abgeschlagen noch zwei „1.“ Teams überholen.
Der Quarantänebereich auf der einen, der Bildschirm, Zieleinlauf und die Zuschauer(tribünen) auf der anderen Seite. Es wurde spannend, zumindest im Wald. Im Zieleinlauf wurde es eher tragisch, als alle zuschauen mussten wie Daniel Hubmann (Schweiz, einer der besten OLer) plötzlich stoppte und mit schmerzverzerrtem Gesicht die letzten 50 m zum Wechsel humpelte. Die Achillessehne hatte sich verabschiedet.
Überhaupt stand diese EM für einige der Besten unter einem schlechten Stern. Nach allen gelaufenen Qualiläufen reiste Thierry Guergiou nach Hause und Helena Jansson saß zum Abschluß auf der Tribüne anstatt zu laufen.
Spannend war es bei den Damen, wo Simone Niggli bei den Schweizern an zweiter Stelle die Führung herauslief und auf Judith Wyder übergab. Diese hielt den Vorsprung bis zum 4. Posten, den sie so richtig versiebte, live verfolgt von hunderten Zuschauern. Es war bitter, egal ob man die Schweizer auf dem Podest sehen wollte oder nicht.

Abgesehen von der Staffel wurde Simone dreimal Europameisterin, bei den Herren siegten Olav Lundanes (Norwegen, sowohl Mittel als auch Lang)und Jonas Leandersson (Schweden, Sprint).

Herausgefordert vom Trainer selbst lief ich meine kürzeste und härteste Trainingseinheit kurz nach der Staffelsiegerehrung. Einmal die Treppe neben dem Skisprungschanzenauslauf hoch. Geschätze 60 Höhenmeter und ca. 130m. Dort oben, als Ziel stand der Sichtposten, gerade so an der Kante. Dank unfairem Armeinsatz gewann Jan den Sprint und wir beide erlitten heftige Oberschenkelkrämpfe. Ein trotzdem ermunterndes Schauspiel, denn auch Sören und Bjarne konnten dem nicht widerstehen. Ähnlich wie ein Dutzend weiterer Athleten, die am Abend nach dem Banquett aus Spaß an der Freude alle die baufälligen Sprungschanzen hinaufliefen und -kletterten. Der Versuch, motorisiert den Hang in Angriff zu nehmen, scheiterte nach ca. 20m. Ein Ball und zwei Autoreifen folgten dem Spieltrieb, der Neugier und der Schwerkraft und plumpsten zu Tal. Da das Banquett nach einer Weile nur noch mit lauter Musik im Zelt aufwartete, versammelten sich nach und nach alle draußen rund um ein selbst gebautes Lagerfeuer. So ging die EM-Woche mit wehmütigen, ferienlagerähnlichen Blicken in die Flammen zu Ende.

Wo nun fanden sich Elch, Pferdchen und Ziege?
Der Elch (oder die Elchin) stand am Waldrand bei der Einfahrt nach Gesunda (ganz in echt und groß), die Pferdchen aus Holz sind das Wahrzeichen Dalarnas und die Ziegen jenes von Falun. Sie nahmen auch die Rolle von fehlenden Postenobjekten ein, besonders erwähnenswert jener Bock am Beginn des Sprungschanzenauslaufes.

Unser Dank für finanzielle und trainingsmäßige Unterstützung gilt besonders unserem Vater und unserem Vereinschef, die heute zusammen 112 Jahre werden, dem USV TU Dresden – mit Trainern und Trainingspartnern sowie anderer derer anderer Vereine, der Stadt Dresden sowie dem deutschen OL, für den wir die EM laufen durften.

(Wieland und)

    Karten, Routen, Ergebnisse, ... - Siljansee - "Verbotene Liebe" - Staffelstartnr. vorn - und hinten - Bergziege