21.06.2012

Jukola 2012: Vielen Dank für die Geduldheit

von Sieglinde Kundisch

Diese Worte sind von Tomi (Kääriäinen, unserem besten finnischen Reiseleiter der Welt) und wir können sie gleich zurück adressieren mit einem "Danke, gleichfalls".

Finnland ist schön. Schön dramatisch ist auch die Geschichte der "Seitsemän veljestä", der Sieben Brüder, die der Idee der Jukola-Staffel zugrunde liegt. Die Geschichte, geschrieben 1870, erzählt von sieben Brüdern, die zehn Jahre in der Wildnis leben, bevor sie zurück in die Zivilisation, auf ihren Hof Jukola und zu einem geregelten Familienleben finden.
Nun war es an uns, je ein paar Stunden den Wald zu durchstromern, alle Posten zu finden und wieder zurück in die Realität der Jukola-Stadt zu finden. Zuerst fanden wir uns jedoch in einer schönen Holzhütte, neben einem platschig-nassen Spaßbad und umgeben von feinstem finnischen Wald für eine Trainingswoche wieder.

"Wir" waren eine ganze Menge TU-OLer, so viele, dass wir zwei Hütten mieteten. Die erste Besatzung reiste bereits am Sonnabend an. Treffen am Flughafen, es regnete, erinnert ihr euch? Abschied am Flughafen und es regnete ä aber dazwischen schien die Sonne die ganze Woche lang.
Das Wetter stimmte also, richtiger Sommer, zu dem leider auch Mücken gehörten. Und Wettkämpfe und Trainings, nasse Schuhe und durchschwitzte Hemden, Pasta-Abende, Pflicht-Bananen und Fußball (die EM lief jeden Abend!).

Sonnabend und Sonntag nahmen einige von uns an den Suunto-Games teil. Das Gelände war felsplattig und nass und somit äußerst finnisch. Es wurden erste Erfahrungen gesammelt, im Gelände und mit EMIT. Das hier EMIT statt SPORTident verwendet wird, stellte neue Herausforderungen an uns ... oder auch dieselben alten. Es gab jedoch immer zwei Stationen an jedem Posten und somit funktionierte die Lochung recht gut. Für weitere Übung war ausreichend gesorgt, da die täglichen Trainings ebenfalls mit EMIT durchgeführt wurden. Allabendlich stattfindend, hatten wir jeden Morgen genügend Zeit für Helsinki-Anschauen, ausschlafen, durch den Wald spazieren, durch den Wald laufen, durch den Wald Posten anspazieren, Zeitung lesen, dicke Bücher lesen, mit Jakob und Lisa spielen, Wäsche waschen, Noch-Mehr-Helsinki-Anschauen, Boot in Helsinki fahren, Museen in Helsinki anschauen, Postkarten schreiben, quatschen und ... tja, jetzt hab ich glatt den Rest vergessen.

Die eine Automannschaft, die gleich am Montag in Helsinki war, fand dank Tomi a) den Weg ins feinste Kaufhaus und zu den Sauna-Ölen (nur für die Touris), b) gutes und preiswertes Essen im Studentencafe und c) den Weg in den bisher einzig bekannten, stationären OL-Shop.
Am Nachmittag ging es zum ersten Training, natürlich unweit der Hütte. Es waren auch nur ca. 500 andere Läufer dort, alle mal kurz zum Training nach Feierabend. Es gab alles zwischen 1,5km und 9km, man konnte sich also satt laufen.
Am gleichen Abend ging es nach Vantaa zum Barbecue bei Familie Kääriäinen. Es gab gutes Gegrilltes, sehr leckere Artischocken-Karottensuppe, Salat und eisfrische Beeren zum Nachtisch.

Von meiner Seite aus war danach Schluss mit lustig, Training, Wälder genießen und allem ... woher auch immer, aber ich hatte mal wieder zielsicher eine Erkältung gefangen. Von anderen Erkältungserprobten wurde ich am nächsten Tag in die Dampfsauna des Spaßbades geschickt. Die war mächtig dampfig, so dass es eher anstrengend als angenehm war. Aber das waren dafür die normalen finnischen Saunas umso mehr, so schön dass man leicht die Zeit vergaß. Merkwürdigerweise waren die Duschen danach nur auf laukalt eingestellt.
Alle anderen genossen scheinbar endlos die unzähligen Rutschpartien im Bad, vor allem Jakob (Löhning, 7, unterwegs auch auf Rutschen ab 12), den man dort leicht hätte vergessen können. Es folgte, wie gesagt, eine ganze Woche täglicher Trainingsrunden, manche liefen auch zweimal, um ja die Zeit gut zu nutzen.

Am Donnerstag gab es einen Wettkampf, Forssa-Games, zu denen eine feine Delegation unsererseits ausrückte. Leider kehrten sie etwas enttäuscht und von finnischer Seite her verletzt zurück. Tomi lief knieseitig gegen einen Stein, musste geflickt werden und fiel so für die Jukolastaffel aus.

Am Sonnabend ging es endlich zur Jukola (in diesem Jahr mit 17.000 TeilnehmerInnen ein neuer Rekord), man kann sagen: in eine eigens gebaute Stadt. Es gab mindestens sieben Schlafplatzwiesen, also wohl genau sieben, wenn ich mir das mit der Sieben+Jukola genau überlege. Dazu eine Einkaufsstraße, Duschen und natürlich (Zelt!)-Saunas, ein großes Bierzelt, kleine Kioske am Wegrand, ein riesiges Feld an Wohnmobilen, endlose ToiToi-Reihen, mehrere Wettkampfwiesen, Restaurants und einen Messeplatz.

Die Sonne brannte unbarmherzig, die Wiese war groß und weit, die zweite Wiese war voller Armeezelte und die dritte viel zu weit weg (da wo unser "Service-Zelt" stand). Zwischen all den Wiesen, der Dusche, den Sportläden, dem Bierzelt usw. verlief sich unsere Mannschaft so sehr, dass ich einen halben Tag lang nur Anne (Kretzschmar, aus Schweden herüber gekommen) begegnet bin. Allerdings war das sehr gut, da wir uns ja im Wechsel begegnen sollten. Mein Venla-Lauf begann aber mit dem Start, mit über 1.280 anderen Damen gemeinsam. Soooo viele OLer auf einmal, das hatte ich noch nicht gesehen. Die anderen vielleicht auch nicht, aber die waren im Meer der mindestens zehnmal so vielen Zuschauer auch längst unsichtbar (berichteten aber hinterher, sie hätten gespürt, wie beim Massenstart der Boden bebte). Der Weg von der Startwiese zum Startdreieck zog sich endlos, angeblich nur 1km, vergeblich jedoch über Wiesen, durch Staub, durch eine frisch geschlagene Schneise im Wald, bergauf und wieder bergab und noch einmal über ein Feld, über einen Fluss und wieder bergauf und ... naja, als man endlich da war, hat es so einige so sehr verwirrt, dass sie nicht mehr wussten wo nun und wie und überhaupt und die Strecke zum ersten Posten wurde zur wilden Sucherei über Stock, Stein und Sumpf und hunderte frisch getrampelter Pfade.
Für mich machte die halbwegs überstandene Erkältung einen guten Lauf unmöglich, aber es war auch völlig egal wie schnell oder langsam man lief, es waren immer Leute ringsum. Selbst als ich in der brütenden Hitze in der Mitte der Strecke auf einem Weg 50m zum Getränkeposten abbog, konnte ich mich danach scheinbar unverändert wieder in die Gänsegangschlange durch die Sümpfe einfädeln.

Der Rest des Tages verflog durch die vielen Wege, die man gehen musste, um irgendwohin zu kommen. Fünf unserer Damen wollten ja auch unbedingt noch nachts die richtige Jukola laufen. Dazu hatten wir noch eine Läuferin von Lunds OK gewonnen, so waren wir zumindest zu sechst, wie eben auch unsere zweite Herrenstaffel. Es war nicht richtig dunkel als 22:30 Uhr die ca. 1.650 Herren auf die erste Strecke gingen. Die Lampen waren an, im Wald war ja Kartelesen nicht mehr möglich, aber so richtig dunkel wurde es nie. In Schlafsäcke gehüllt harrten zahlreiche OLer vor den großen Leinwänden aus und folgten der Fernsehkamera- und GPS-Übertragung und dem pausenlos kommentierendem Sprecher.

Ich schaffte es tatsächlich, für 2h im Schlafsack zu verschwinden und zu schlafen, bevor ich 1 Uhr nachts auf die Wettkampfwiese wechselte und mit Blick auf den Großbildschirm eine Portion Müsli löffelte. So gestärkt und wegen fehlender Nachtschwärze (zumindest nahm ich es so wahr, Bruder Wieland fand es hingegen "richtig dunkel") auch kein bisschen müde, konnte ich gegen 2 Uhr auf die "lange Nachtbahn" gehen, 14km, einmal hin und zurück über die tapetenbahngroße Karte. Ein Energieriegel steckte in der Hosentasche, die Getränkeposten waren klare Anlaufziele.
Nach nur zwei Posten war es hell genug, um die Lampe auszuschalten. Egal welchen hundertsten Platz wir hatten, es waren genug Leute ringsum unterwegs. Und trotzdem gelang es mir zu Beginn der langen Schläge für 5 Minuten mal ganz allein im Wald zu sein. Gegen Ende siegte die Erschöpfung und ich eierte auf der falschen Autobahn durch mannshohes Gras und zum falschen Posten. Die Lage war schnell erkannt und es ging weiter zum richtigen Posten. Um diese Tageszeit sind alle "Fehler" verzeihbar.

Zurück im Ziel, fehlte Sabine (Richter, bereits walderprobte Venla-Schlußläuferin einige Stunden vorher) ... der Mann mit dem Megafon bastelte die Startnummer auf Deutsch zusammen, eine freundliche Dame rief "Sabine" Richtung ToiToi-Wand laufend, aber keine Spur von ihr. Fehlende innermannschaftliche Absprache führte zu verspäteter Weckung und geplatztem Abschlagen (ein einfacher Grund wiederzukommen und es besser zu machen). Aber Sabine kam, lief los und lief gut.

Gleichzeitig kämpften sich natürlich auch unsere Herren durch den Wald, über die Felsplatten und durch die immer tieferen Spuren in den Sümpfen. Während ich in den Schlafsack kroch, hielten einige Wache und begrüßten alle erschöpften Läufer im Ziel. Gegen 10 Uhr, als die letzten und auch die notstartgestarteten Läufer unterwegs waren, begann es unbarmherzig doll zu regnen. Es trommelte nur so auf die schwere Zeltwand während wir Frühstück aßen und packten, bis eins unserer Zelte, zum (endlich) Gehen auffordernd, einstürzte. Tropfnass fanden alle nach und nach zum Flughafen und den Weg zurück in die heimischen Gefilde, der eine eher, der andere später.

Es war eine richtig gute Woche, Dank an alle, die gekocht haben (vor allem Karla, Sabine und Achim), die die gute Laune nie aufgaben, die immer ein Lächeln bereit hatten (Lisa!), die Autos fuhren (Diethard, Tomi, Torsten, ...), alles organisiert hatten (Tomi und Torsten), geduldig übersetzten und Probleme lösten (Tomi), fröhlich waren und beim Wäsche waschen halfen (Jakob), sehr früh am Morgen an der Zielgeraden standen und jubelten (Conny und Heiko) und überhaupt, es war schön mit euch!

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