16.08.2018

Grün ist Grün und Weiß ist Weiß - Weltmeisterschaften in Lettland

von Anna Reinhardt

Im Morgengrauen des Monats August war es endlich soweit. Der bisherige OL-Sommer hatte nicht mit Live-Ergebnissen und GPS-Tracks, Videos und Berichten gespart, die von der Jugend-EM in Bulgarien, der Senioren-WM in Dänemark, der Junioren-WM in Ungarn und der Studenten-WM in Finnland in die heimischen Wohnzimmer und OLer-WGs schwappten. Die deutschen Teams waren jeweils auch mit grünen TU-OLern bestückt und ließen uns ordentlich mitfiebern. Den größten Paukenschlag setzte unerwartet und hochumjubelt Colin Kolbe (TuS Lübbecke), der in Ungarn unhaltbar zum Juniorenweltmeistertitel sprintete! Nun also war es August und damit an der Zeit, selbst die Karte in die Hand zu nehmen, die Konzentration hoch und den Kompass fest im Blick zu halten und Vollgas zu geben. Mit großer Vorfreude und gespannter Erwartung ging es los zur Weltmeisterschaft nach Riga und Sigulda in Lettland. Für TU mit dabei waren Paula Starke und Anna Reinhardt und zusammen mit Susen Lösch (USV Jena) stellten wir das kleine, aber hochmotivierte Damenteam. Für Estland startete zudem unsere Vereinskollegin Kerstin Uiboupin. Das weitere deutsche Sprintteam komplettierten Marvin Goericke (Berliner TSC), Christoph Prunsche (TuS Lübbecke) und der frischgebackene Juniorenweltmeister Colin. Etwas später reisten Philipp Müller (Post SV Dresden) und Moritz Döllgast (TV Oberbexbach) für die Walddisziplinen an.

Nach einem ersten Sprinttraining und dem tags darauf anstehenden Model Event folgte am Samstag die erste Formprobe: die Qualifikation über die Sprintdistanz, ausgetragen im und um den Kronvalda-Park mitten in Riga mit kniffligen Routenwahlen um Extrazäune und Sperrgebiete. Während die deutschen Herren und auch Kerstin für Estland den Finaleinzug verpassten, konnte Susen mit einem soliden Rennen ins nachmittägliche Finale sprinten. Dieses fand mit der verwinkelten Rigaer Altstadt eine würdige Kulisse und wurde vom restlichen Team aus der Zielarena auf dem Rathausplatz verfolgt.

Tag zwei der WM galt ganz und gar der Sprintstaffel. Paula lief souverän die Startstrecke und übergab an Position 23 liegend auf Marvin, der, ebenso wie Colin nach ihm, ein konstantes Rennen ablieferte. So startete ich als 22. auf die Schlussstrecke. Die Staffelbahnen waren im Gegensatz zu denen des Einzelsprints o-technisch überschaubar und dadurch umso laufbetonter. Ohne größere Fehler und mit nur wenigen zu optimierenden Routenwahlen liefen wir (dank der Fehlstempel zweier Staffeln) im Gesamtklassement auf den 20. Rang. Mit der Staffel gingen die Sprint-Tage in Riga zu Ende und wir zogen von unserem komfortablen Quartier direkt am Fluss Daugava mit Blick auf die Rigaer Altstadt sowie die davor rangierenden Autofähren und Kreuzfahrtschiffe weiter nach Sigulda.

Der folgende Ruhetag wurde genutzt, um sich intensiv in die Anforderungen der kommenden Walddisziplinen hineinzudenken und ein letztes Mal beim Model Event die Eigenheiten des lettischen Waldes zu überprüfen: Grün ist Grün! Weiß aber auf den aktuellen Karten tatsächlich auch Weiß und damit ganz gut belaufbar. Und unser bester Freund ist der Kompass. :) Zur Mitteldistanz am Dienstag startete ich konzentriert und mit nur wenigen kleinen Unsicherheiten im Postenraum. Im zweiten Teil der Strecke verlor ich läuferisch mehr Zeit, konnte aber mein sauberes Rennen bis ins Ziel bringen und war sehr zufrieden mit dem 47. Platz. Susen setzte in ihrer aktuellen Topform ein Ausrufezeichen und lief saustark auf Rang 18!

Als nächstes stand die Staffel auf dem Programm. Susen sollte, wie es sich in den letzten Jahren bewährt hatte, die Schlussstrecke übernehmen, Paula wollte gern auf 2 laufen, so blieb für mich die Startstrecke. Dass mentales Training nicht unwichtig ist, ist wohl inzwischen allgemein bekannt, was es aber tatsächlich heißt, mit einer ungewohnten mentalen Belastungssituation umzugehen, das lernt man wohl erst, wenn man es erlebt. Klar wusste ich, dass ein WM-Staffelstart kein Zuckerschlecken sein würde, aber mit diesem Tempo hatte ich dann doch nicht gerechnet. Die erste, kürzere Schlaufe bis zur Sichtstrecke forderte mich läuferisch so, dass ich danach leider nicht mehr konzentriert genug weiterkämpfen konnte. Die Puste war raus und der Fehler schon im Gange, bevor ich ihn zu korrigieren im Stande war. Mit einem leider ziemlich großen Rückstand übergab ich nach vielen Höhenmetern an Paula, die mit einem technisch sauberen Rennen und etwas ausgeruhteren Beinen einige Plätze wieder gutmachen konnte und Susen auf Platz 19 ins Rennen schickte. Trotz einiger Unsauberkeiten und der andauernden Hitzeschlacht bei ca. 30 Grad kämpfte sie sich bis ins Ziel noch auf Rang 16 vor. Eigentlich sollte uns dieses Ergebnis zufriedenstellen, da es unser aktuell normales Leistungsvermögen dokumentiert. Aber leider kratzen wir damit eben nicht am erwünschten Optimum. Bei den Herren lief es ebenfalls nicht ganz rund. Der schon abgereiste und für den erkrankten Philipp wieder eingeflogene Colin brachte nach den Läufen von Moritz und Christoph die Herrenstaffel schließlich auf Rang 23 ins Ziel.

Den Abschluss der WM-Läufe bildete die Langdistanz am Samstag. Nachdem wir tags zuvor während des Model Events schon in einen Teil des Geländes gehen durften, waren die Aufgaben klar: Sichere und einfache Routen wählen, diese sauber ausführen und möglichst die ganz tiefen grünen Täler mit ihren querliegenden Bäumen meiden. Paula startete stark und sicher im ersten, flacheren Teil der Strecke. Über die lange Routenwahl hörte man im Ziel nur wenige Stimmen, die sich zufrieden mit der eigenen gelaufenen Strecke zeigten. Das GPS-Tracking zeigte dann auch eine bunte Vielfalt an möglichen Routen. Auch die folgenden Entscheidungen, um von Posten zu Posten zu kommen, wurden nicht einfacher und forderten Susen, Kerstin und Paula, die die anspruchsvolle und höhenmeterreiche Langdistanz schließlich auf den Rängen 26, 36 und 53 beendeten. Philipp, weitestgehend, aber wohl nicht gänzlich genesen, stempelte leider den Sichtposten nicht und fiel somit aus der Wertung. Moritz lief ähnlich stark wie im Jahr zuvor auf Platz 38.

Mit der abendlichen WM-Party ging das liebevoll und mit viel Elan veranstaltete Großevent „WOC 2018 in Latvia“ zuende. Team Germany machte manchen Dämpfer der Ergebnislisten durch großen Willen und Motivation vor jedem Wettkampf sowie die gute Stimmung und den Zusammenhalt im Team wieder wett. Die schöne und lehrreiche Zeit bleibt ein großer Ansporn für weiteren guten OL in der Zukunft. Dank gilt allen Trainern und Trainingspartnern, allen Mitfieberern und Unterstützern. Ohne euch wäre so eine tolle Zeit mit dem WM-Team nicht möglich!

    Ergebnisse, Karten, Routen und unendlich viele offizielle Fotos - Riga - Paula - und Zuschauer