24h-OL + Rogaine - und Bushaltestellennudelgenuß - komprimiert auf 12h
Zum 22. Thüringer 24-Stunden-OL vor einem reichlichen Jahr verkündeten die Organisatoren und anwesende Tschechen, dass 2020 ein (1.) „24er“ in Tschechien stattfinden wird. Auch in Ungarn sollte es im Juli wieder einmal einen geben. (Die Schweizer hatten das Konzept vor 13 Jahren ebenfalls einmal aufgegriffen.) Alle wissen: dieses Jahr kam vieles anders. Die OL-Freunde, die ihre Freundschaft dieses Jahr einmal südsüdwestlich von Prag auf einer Wiese mitten im Wald mit reichlich OL ausleben wollten, sprangen spätestens ab, als von dem ursprünglich weltlängsten Staffel-OL durch die Veranstaltungsauflagen nur ein Rumpf an OL-Erlebnis blieb: je eine Tag- und eine Nachtbahn pro Läufer bzw. Läuferin – zuzüglich einer Teamwertung, weil staffeltypisches Abklatschen ja „außer Mode“ gekommen ist. Nils Peters und ich, die wir von den vielen Dresdner OLern, die im Frühjahr noch ganz heiß auf den Wettkampf gewesen waren, übrig geblieben waren, suchten, erfragten und fanden schließlich ein Team. Denn die Kriterien für ein solches waren immerhin geblieben: max. 3 H21er und mind. 2 Damen. Ich hätte dieses Jahr den Senioren geben können, doch wir fanden mit Jens Patommel (Post SV Dresden) auch noch einen reiferen Herren als mich und mit ihm ein Post-TU-Team: PostTU Dresden, das die uralte Liebe ohne Konkurrenzverlust zwischen unseren Vereinen wieder einmal beschwor. Postu heißt auf Tschechisch Post. Und mit Cedrik Klein hatten wir einen von einigen Dresdner OLer-Studenten, die ab und an Post-Pakete austragen, fürs Team gewinnen können, der kurzerhand seinen Startplatz beim Dubrow-OL abtrat. Helene Schubert (Post SV Dresden) und Sonnhild Grismajer ergänzten dann schon eine (knappe) Woche vor Mittsommer, an dem der 24h-Ersatz-OL ausgetragen werden sollte, unser Team.
Doch damit nicht genug: Am selben Wochenende und am selben Ort sollten auch die Tschechischen Rogaining-Meisterschaften (eine Art Langstrecken-Score-OL, „richtig“: 24h) ausgetragen werden. Friedmar Richter liebäugelte mit beiden Läufen - Tendenz schwankend eher zum Rogaining. Ich hatte mich jedenfalls schon mit dem stark eingekürzten „24er“ zufrieden gegeben. Doch ohne Teampartner kein Rogaine und so meinte „Bolek“ Friedmar also kurz vor knapp, ein Viertel-Rogaine (6 Stunden, 13-19 Uhr) passt doch zwischen Tag- (ab 11 Uhr) und Nachtbahn (ab 21Uhr). Mathematisch betrachtet hatte er vollkommen recht. Und da "Lolek" Wieland über 3,5 Monate keinen OL gemacht hatte, sagte er kurzentschlossen diesem 2. Team "Lolek & Bolek" zu und das Abenteuer im Abenteuer nahm seinen Lauf. …
Der Thüringer 24h-OL startet traditionell um 9, etwas vorher beginnt bekanntlich die Anspannung und Bewegung. So war es auch mit dem frühen Auto und es wurde trotz theoretisch nicht zu knapp eingeplanter Zeit bis zu meinem 1. Start äußerst spannend: 1.) Vignetten sind auf tschechischen Autobahnen auch nach der neuen Grenzöffnung (die zum Glück nicht Monate bis Jahre anhielt) nach wie vor Pflicht. 2.) Navis sind menschlichem Orientierungssinn nicht überlegen. 3.) Staus zu umfahren ist oft schneller, als sie mit zu bilden, aber kurvige Landstraßen sind eben nicht schneller als Autobahn – zumindest hinter schleichenden Sonntagsfahrern oder an beschrankten Bahnübergängen wartend. Immerhin reicht so eine Auszeit, um sich im Auto umzuziehen. Wir kamen schließlich 6min nach meiner selbst festgelegten Startzeit an. Ich sprang aus dem Auto fast unmittelbar in die erste Pfütze und war weitere 5min später am Start. Zwischendurch winkten Hanka Straube (SV Lengefeld) und ich einander zu. Die neben uns einzige Deutsche vor Ort, die kurz vor ihrem richtigen, weil 24h-Rogaine stand. Das im seichten Regen ausharrende Startpersonal ließ mich in meinen freien Startkorridor und mit 13min „Verspätung“ 5 vor 12 starten. Mein Chip löste den Startposten übereifrig und hell erfreut und ab ging die PosTu-„Staffel“. Schneller Wald, wiesiger Wald, Gestrüpp, Gestein. Ich schwebte und spürte und dachte, ich lebe nur einmal und nichts ist schöner als jetzt hier zu sein, diesen OL machen zu können, zu dürfen. Dieses Hochgefühl hielt bis zur kürzesten Postenverbindung. „Ach, nur da rüber, runter.“ Ha, die Wirklichkeit wusste es mal wieder besser und mir kam zu spät Lückes (Andreas Lückmann, Post SV Dresden) Elitetipp zum Kompass in den Sinn. Zum Glück war Tag und ich stocherte nicht lange herum, las mich schnell wieder ein. Friedmar hatte seine Trainingsbahn am Mittwoch genau so lang wie meine T5-Strecke gelegt gehabt. Nach 27min war ich bereits wieder komplett nass und glücklich auf der Zielwiese und rannte zurück zum Parkplatz. Trockene Hosen und Schuhe anzuziehen hätte sich nicht gelohnt, nach ein paar Minuten wären sie wieder auf dem selben Feuchtigkeitslevel wie die getragenen gewesen. Also Laufjacke an, Trinkrucksack mit Riegeln um und wiederum zur Wiese in den Wald geeilt. Friedmar kam mir entgegen. 5 oder 3 vor 13 standen wir „in der Quarantäne“ am Start und hatten je einen fast-A2-Lappen (1:40.000!) wunderbarer Karte mit allen Posten, wie sie auch die 12er (9-21Uhr) und 24er (12-12Uhr) bekommen hatten, in den Händen. Statt langer Vorplanung stimmten wir uns nur kurz ab, dass wir vorerst im Wald bleiben wollten und nach Norden starten würden, zum Stausee – und zwar die Route den nun so schnell schon gut vertrauten Weg zum Parkplatz lang. Jan Tojnar, Organisator dieses Rogaines und diverser weiterer im böhmischen Erzgebirge, hatte uns noch auf steile, rutschige Hänge hingewiesen. Aber eher im Moldautal. Wollten und konnten wir bis dahin?
Ein 90-Punkte-Posten, der sich als riesig tiefer Steinbruch herausstellte und den ich nachts nicht hätte anlaufen wollen, und eine weitere Posten-Entscheidung durch Luhy samt angekündigtem Ausrutscher Boleks im Schlamm führte uns zur Moldau. Aus nassem Wald wurden vorübergehend auch nasse Wiesen und Felder. Von jedem zweiten Hof feuerte uns ein bellender Hund an. Die meisten Menschen, die uns begegneten, gehörten unserer Kartenträger-Spezies an. Das Orientieren beim Rogaining ist wesentlich abenteuerlicher als bei den meisten klassischen OL heutzutage: Weg undeutlich, aber in Karte. Weg deutlich im Gelände, aber nicht in Karte. Weiß = Wald, Wald = gefühlt gefegt oder auch grünes Monster. So muss OL vor 50 Jahren noch gewesen sein. Einzelnen Posten näherten wir uns leicht spiralförmig. Auf einer Wiese, die an Alpenland erinnerte, malte ich uns trocken heißes Wetter aus. Besser, diese kühle Nässe oder doch nicht? Es war, wie es war, und wir nahmen es so, wie es war. Wieder auf dem zugigen Feld vor „unserem“ Staffelwald konnten wir gut abschätzen noch die große Schlussrunde in der letzten Stunde zu schaffen. Allerdings stellte sich ein „läppischer“ 30-Punkte-Posten an einer „Bachgabel“ am Waldfeldrand als recht dicht bewachsene Sumpflandschaft heraus. Und plötzlich hingen Bolek und Lolek an einem seidenen Faden an einem Kliff. …
Fortsetzung ist fortgeschrieben und folgt.
Rogaine-Karte mit Routen - Ergebnisse Rogaine - 5 Fotos - Liveergebnisse-Einzel 24er